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"Wir laufen auf ein soziales Inferno hinaus"

2017 09 01 Bild FNNeckar-Odenwald-/ Main-Tauber-Kreis, 17. Juli 2017
vom FN-Redaktionsmitglied  Matthias Ernst

Wie kann man der Vereinsamung der Bevölkerung entgehen, Pflegebedürftigkeit vermindern und gleichzeitig die sozialen Strukturen unserer Gesellschaft besser nutzen? Das waren nur drei Fragen, die sich bei einer Tagung des katholischen Landvolkes im „Treffpunkt Zimmern“ über 70 Teilnehmer stellten.

Angeregt durch Grünsfelds Bürgermeister Joachim Markert, der schon öfter bei Tagungen im Kloster Heiligkreuztal neue Sichtweisen erfahren durfte, machte man erstmals Station im Norden des Bundeslandes. Elisabeth Krug vom Landratsamt sagte dazu in ihrem Grußwort: „Sie sind heute hier goldrichtig.“ Schließlich soll der im letzten Jahr eingeweihte Treffpunkt auch ein Ort der Begegnung für Menschen jeden Alters sein. Mit weiteren Beispielen aus der Praxis wurden bisher umgesetzte Ideen für „caring communities“, wie der Begriff im englischen Original heißt, wichtige Impulse für die Teilnehmer gesetzt.

Bürgermeister Markert nahm sich viel Zeit an diesem Tag und auch für ihn waren viele Anregungen dabei. „Sorgende Gemeinschaften werden immer wichtiger, weil die Familien zerstreuter sind.“ Mit Hinweis auf das in Kürze in Grünsfeld entstehende Bürgercafé fuhr er fort: „Wichtig ist eine bessere Vernetzung zur Leistungserbringung.“

Dr. Joachim Drumm nannte die sorgenden Gemeinschaften „kleinräumige Unterstützungsnetzwerke“. Aktuell werde noch nach dem Versorgungsprinzip mit vertikalen Familienbeziehungen agiert, also direkt von den Kindern an ihre Eltern, zukünftig wird der Schwerpunkt nach Aussage des Fachmanns mehr in die horizontale Versorgung wechseln. Für Drum hat der ländliche Raum eine große Zukunft. „Vor allem, wenn die Menschen in der Stadt die Mieten nicht mehr bezahlen können.“ Aktuell werden nur 30 Prozent aller Pflegebedürftigen in Heimen betreut, 70 Prozent zu Hause, nannte der Ordinariatsrat der Diözese Rottenburg aktuelle Zahlen. In seiner Prognose geht er von einem Wechsel aus, so dass die Pflege im Heim immer mehr zunehmen werde.

Ähnliche Prognosen stellte auch Professor Dr. Otmar Seibert von der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf auf. Der anerkannte Fachmann im Bereich Regionalentwicklung fordert einen Wandel in der Förderung von der Stadt hin zum ländlichen Raum. Aus seinen Forschungen sei ersichtlich, dass über 80 Prozent der Menschen in Städten wohnen werden. „Wir laufen auf ein soziales Inferno hinaus“, warnte Seibert. Für Baden-Württemberg prognostizierte er, dass nur die Universitätsstädte wachsen werden. Alle anderen Regionen werden in Zukunft massiv an Einwohnern verlieren. Dies habe enorme Auswirkungen auf die sozialen Gefüge und die Strukturen der Kommunen. „Wir vermindern unsere Lebenspotentiale, wenn wir die jungen Menschen ziehen lassen.“ Er forderte eine Steigerung der kommunalen Zusammenarbeit und eine Ausweitung von regionalen Kreisläufen, damit den jungen Menschen die Vorteile des ländlichen Raumes aufgezeigt werden können. Er regte an, dass die Kommunen mehr Selbstverwaltung bekommen sollten, „der Regionalverband behindert mehr als er nutzt“.

Wie bereits heute Projekte mit sorgenden Gemeinschaften funktionieren, das wurde am Nachmittag aufgezeigt. Gisela Keck-Heirich stellte das Mehrgenerationenhaus in Lauda-Königshofen vor, Dekan Rüdiger Krauth die Kirchenkäserei in Hirschlanden und Oliver Sühring, Bürgermeister in Bernstadt, das seit mehreren Jahren existierende Projekt „tatkraft“, das eine Art Nachbarschaftshilfe über Gemeindegrenzen hinaus anbietet. Daneben zeigte Gabriele Beck Möglichkeiten der ambulant betreuten Wohngemeinschaften und die gesetzlichen Rahmenbedingungen dazu auf. Und letztlich gaben Wolfgang Schleicher, Nicole Saile und Lisa Weis Hinweise zu Fördermöglichkeiten durch staatliche und private Programme für den Beginn und die Weiterführung von sorgenden Gemeinschaften.

Letztlich zeigten sich alle Teilnehmer sehr zufrieden mit der Tagung in Zimmern, ist doch der ländliche Raum ein positives Beispiel für das Zusammenleben verschiedenster Gesellschaftsformen. Viele haben Impulse zum Aufbau eigener Netzwerke in ihrer Umgebung bekommen. Bürgermeister Markert hofft, dass auch zukünftig solche oder ähnliche Tagungen in Grünsfeld und seinen Ortsteilen stattfinden.


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